Die Urkunde der Wilgarta

 

Auf den Spuren einer alten Grenzbeschreibung rund um den Pirminsbezirk

 

Von Rudolf Wild

 

1.175 Jahre ist es her, dass Wiligart – aus dem fränkischen Adelsgeschlecht der Widonen – ihre Ländereien rund um das heutige Wilgartswiesen dem Kloster Hornbach schenkte. In der Urkunde von 828 sind die Grenzen des Besitztums genau aufgezeichnet. Über Jahrhunderte hinweg bezeichnete man den damals dem Kloster geschenkten Bereich als "Pirminsbezirk", denn das Kloster Hornbach wurde stets mit seinem Gründer, dem heiligen Pirminius, in Verbindung gebracht.

Mit der Auflösung des Klosters Hornbach kam unser Pirminsbezirk an das Herzogtum Pfalz-Zweibrücken, das somit einen zusammenhängenden Gebietsstreifen quer durch den Pfälzerwald zwischen dem Westrich und der Rheinebene bei Godramstein besaß. So konnte der Verkehr im Bereich unserer heutigen Bundesstraße 10 kontrolliert werden. Der Ursprung dieser alten Salzstraße geht möglicherweise bis in die Römerzeit zurück. In der Urkunde von 828 wird sie im Bereich des Hauensteiner Bahnhofes als "platea publica" erwähnt.

Nach einer vorübergehenden Zugehörigkeit zum französischen Departement Donnersberg kam unser Pirminsbezirk zum "Canton Annweiler" im "Königlich Bayerischen Land-Commissariat Bergzabern". – Erst die Verwaltungsreform von 1969 brachte seine Trennung in die heutigen Landkreise Südwestpfalz und Südliche Weinstraße.

Die Grenzen dieses Pirminsbezirks haben sich mit kleinen Veränderungen bis in unser Jahrhundert erhalten, und doch ist es schwierig, nach so langer Zeit, einige der damals festgelegten Grenzpunkte in der heutigen Landschaft aufzufinden. Nicht nur die Landschaft, sondern auch die im Volk verwurzelten Flurnamen haben sich während eines so langen Zeitraums sprachlich gewandelt. So ist es auch kein Wunder, dass die Heimatforscher an einigen Stellen zu unterschiedlichen Interpretationen gekommen sind. Einige Details werden wohl auch niemals geklärt werden können, denn die Urkunde ist uns nur in einer Abschrift aus dem Jahr 1430 überliefert, die nicht mehr die reinen Formen von 828 enthält. – Und die vorliegenden jüngeren Abschriften weichen im Wortlaut geringfügig voneinander ab.

Man kann sich auf vielerlei Weise mit einer solchen alten Urkunde auseinander setzen. – Mein persönliches Anliegen ist ihr Bezug zu unserer Landschaft. Und so möchte ich den Inhalt der alten Urkunde in eine gedankliche Wanderung rund um den alten Bezirk einbinden.

Die Beschreibung der Grenze in der Urkunde beginnt an der Queich. Irgendwo zwischen Rinnthal und Annweiler muss es damals einen Ort namens Houronshusen gegeben haben, und der Bereich der Papierfabrik bei Sarnstall lag offensichtlich innerhalb des Pirminsbezirkes.

Auf dem Gipfel des Rindsberges stoßen die Gemarkungen von Annweiler, Rinnthal, Spirkelbach und Wernersberg aufeinander. Die alten Grenzsteine sind meist mit der Jahreszahl 1777 bezeichnet, doch einige gehören einem älteren Typ an und stammen wahrscheinlich aus dem 16. Jahrhundert.

Der Wackelstein auf dem Rindsberg

Der heute "Wackelstein" genannte Felsentisch ist eine interessante Verwitterungsform des Wasgaus, die in bestimmten Schichten des Buntsandsteins auftritt. Dieser Grenzfels wurde in Grenzbeschreibungen des 14. Jahrhunderts als "Krähenstein" oder "Grevensteyn" bezeichnet.

Weitere interessante Aussichtspunkte im Verlauf der Grenze sind der Kleine Rauhberg bei Spirkelbach und der Neding genannte Fels bei Hauenstein.

Der große Felsdurchbruch in der Hauensteiner Bahnhofstraße wurde in seiner heutigen Tiefe erst 1868 beim Bau der Eisenbahnlinie geschaffen, aber bereits im 16. Jahrhundert bestand hier eine über vier Meter tief in den Felsen gehauene Durchfahrt. Ob der Name "Hauenstein", den dieser Fels in amtlichen Karten des frühen 20. Jahrhunderts führt, mit dem Ortsnamen in Verbindung gebracht werden kann, ist allerdings umstritten.

Der weitere Verlauf der Grenze folgte dem Bachlauf des Horbachs nach Hinterweidenthal. Der Bahnhof von Hinterweidenthal gehörte früher zum Weiler Kaltenbach, das ein Ortsteil von Münchweiler/Rodalb war. In historischen Karten fehlt oft die Eintragung von Hinterweidenthal, denn Kaltenbach spielte für den Fernverkehr die größere Rolle. Hier trafen der lothringische Rennweg und die Straßen von Pirmasens, Bitsch, Weißenburg und Landau zusammen. Hier bestand auch eine wichtige Poststation, deren Name sich – bis zum großzügigen Ausbau der B 10 – im "Hotel zur Post" widerspiegelt(e).

Durch das Zieglertal kommen wir entlang von Wieslauter und Scheidbach zum Dreiherrenstein beim Hermersbergerhof, wo der Pirminsbezirk an das zur Markgrafschaft Baden gehörende Amt Gräfenstein sowie an den Annweiler Bürgerwald grenzte.

Ebenso steil wie die Grenze von Westen her angestiegen ist, fällt sie nach Osten wieder ab. In der Beschreibung des Annweiler Bürgerwalds vom 30. Juni 1591 sind die im Hang stehenden Grenzfelsen beschrieben, in die große Abtstäbe als Zeichen des früheren Eußerthaler Besitzes eingemeißelt wurden.

Entlang dem Kaltenbach gelangen wir zum Parkplatz Zwiesel im Wellbachtal, dem Ausgangspunkt unserer letzten Etappe. Im Bereich des Almersberges stoßen wir auf eine alte Straßentrasse, die bereits in der Urkunde von 828 erwähnt wird. Die Höhenstraße über den Langenberg bei Eußerthal spielte – in offensichtlich mehrfach geänderter Trassenführung – in späterer Zeit eine wichtige Rolle als kurpfälzische Geleitstraße von Landau über Taubensuhl und Johanniskreuz nach Kaiserslautern.

Entlang der über den Langenberg verlaufenden Grenze treffen wir immer wieder auf alte Grenzzeichen mit dem Eußerthaler Abtstab, denen in späterer Zeit die Buchstaben CP für Kur-Pfalz beigefügt wurden. – Teilweise verläuft die eigentliche Grenze durch unwegsames Gelände, und ein paar der in die Felsen eingeschlagenen Grenzzeichen – wie auf dem Kehrenkopf – sind nur äußerst mühsam zu erreichen.

Der Kamm zwischen Gräfenhausen und Rinnthal wird in einer anderen alten Urkunde als "Diebesecke" bezeichnet, und es ist nicht auszuschließen, dass der Wanderweg, den wir hier kreuzen, einmal ein alter Schmugglerpfad gewesen ist.

Am Wochenende können wir uns in der Jung-Pfalz-Hütte stärken, bevor es durch das Dingental zurück zum Ausgangspunkt unserer Grenzwanderung im Queichtal bei Sarnstall geht. –

Damit es nicht bei einer gedanklichen Wanderung – mit dem Finger auf der Landkarte – bleiben muss, wird der Pfälzerwald-Verein 2003 eine geführte Wanderung über die 50 km lange Strecke in vier Tagesetappen durchführen. Rechtzeitig vor der Jubiläumswanderung wird auch ein kleiner Wanderführer mit genauer Beschreibung der Grenz- und Wanderetappen erscheinen.


Literatur:

Ernst Christmann: St. Pirminius und Pirminiusland im Licht der Namenforschung.
Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte, 5.Jg., 1953, S. 77-101
A. Neubauer, Regesten des ehemaligen Benediktiner-Klosters Hornbach. Mitt. Hist. Verein Pfalz 27, 1904

 

Der vorstehende Text wurde veröffentlicht in:
Heimatkalender 2003 für das Pirmasenser und Zweibrücker Land, S. 204 – 207

im Original mit  Kartenskizze zur Grenzwanderung um den Pirminsbezirk
            (urkundlich genannte Namen fett, weitere Namen zur Orientierung kursiv)

 

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